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Konfliktmanagement: Harvard Konzept

Die Arbeit macht einen wesentlichen Teil unseres Lebens aus. Wir verbringen mit unseren Arbeitskollegen oft mehr Zeit als mit unserer Familie. So ist es kein Wunder, dass gerade am Arbeitsplatz Konflikte entstehen, die bei Nichtauflösung sogar enorme wirtschaftliche Schäden für das Unternehmen nach sich ziehen können. In diesem Kontext möchten wir Ihnen das Harvard-Konzept vorstellen, das im Bereich des Personalwesens (Human Resource Management) neben dem Michigan-Ansatz ein heute anerkanntes Konzept ist, um die Ressource Mensch in allen Arbeitsabläufen eines Unternehmens optimal zu platzieren.

Das Harvard-Konzept als moderne Methode im Konfliktmanagement besonders sachbezogen zu verhandeln, wird auch als Harvard-Prinzip oder Harvard-Ansatz bezeichnet. Sie hat sich als besonders wirksame Verhandlungstechnik zur Konfliktlösung etabliert und wurde bereits vor mehr als zwanzig Jahren an der Harvard Universität (Boston) von William Ury und Prof. Roger Fisher im Zuge des "Harvard Negotiation Projects" entwickelt. Ziel des Forschungsprojekts war damals die Analyse der verschiedenen bekannten Verhandlungsmethoden mit Blick auf die Ableitung einer optimalen Technik der Verhandlungsführung. Mit dieser Methode werden Konfliktpartner in die Lage versetzt, aus jeder Konfliktsituation gemeinsam eine konstruktive sowie friedliche Einigung zu erreichen. Was dieses Konzept so genial macht, ist der Vorsatz, dass vom Ergebnis beide Verhandlungspartner real profitieren sollen. Massives Feilschen oder eine voreilige Nachgiebigkeit mit dem unbefriedigenden Gefühl, einem faulen Kompromiss aufgesessen zu sein, ist hierbei konzeptionell ausgeschlossen. Für das Erreichen der Win-win-Situation müssen aber beide Verhandlungspartner a priori verstehen, dass ihr Gegenüber nicht ihr Gegner, sondern ihr Partner ist, der ihnen dabei hilft, einen fairen Interessenausgleich gemeinsam zu finden. Das hat etwas mit einer edlen Wirtschaftsphilosophie zu tun.

Prinzipien des Harvard-Konzepts

Die Methode des sachbezogenen Verhandelns basiert auf vier Grundvoraussetzungen:

1. Bei der sachbezogenen Diskussion wird die Beziehungsebene, die es in irgendeiner Form immer gibt, bewusst abgetrennt. Nur so lässt sich eine Diskussionsform realisieren, die man mit "sanft im Umgang, aber hart in der Sache" umschreiben könnte. Es geht also um eine klare Abtrennung der beteiligten Menschen von dem vorliegenden sachlichen Problem. Dies kann aber nur dann gelingen, wenn wir alle Vorurteile ablegen und den Verhandlungspartner grundsätzlich erst einmal wertschätzen, um auf diese Weise gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zuzulassen. Es muss unser vorrangiges Ziel sein, uns gleichzeitig auf beide Interessenlagen zu konzentrieren.

2. Indem wir die eigene Position (leicht) aus dem Fokus rücken, können wir uns auf die Interessen konzentrieren. Verhandlungen oder Konfliktfälle sind meistens mit einem gegenseitigen Kräftemessen verbunden. Da geht es um Begriffe wie Recht und Unrecht, um das Feilschen, um die prinzipielle Verteidigung der eigenen Positionen oder das unbedingte Erreichen von Zielvorgaben, und zwar meistens um jeden Preis. Im Ergebnis gibt es dann immer einen Sieger und einen Verlierer mit der Folge, dass das erreichte Ergebnis nicht nachhaltig sein kann. Ein für alle Beteiligten tragfähiges Ergebnis kann nur dann erzielt werden, wenn nicht die Positionen, sondern die Interessen in Einklang gebracht werden. Probleme ergeben sich stets aus unterschiedlichen Interessen, wobei aber gerade über die Interessen in den seltensten Fällen offen miteinander gesprochen wird. Dabei würde dies alles drastisch vereinfachen, denn unter Interessen sind auch zu verstehen:

Herausgefunden werden die zum Teil komplexen Inhalte, die sich hinter jedem Punkt verbergen können, mit den "Warum- und Warum-nicht-Fragen". Wenn wir in konzertierter Aktion genau diese Interessen herausarbeiten und offenlegen, werden die gegenseitigen Positionen plötzlich verständlicher und damit öffnet sich die Bereitschaft, dem Gegenüber entgegenzukommen, ohne dies als eigenen Verlust empfinden zu müssen.

  • Ängste

  • Befürchtungen

  • Sorgen

  • Wünsche

  • Zwänge

3. Optionen suchen bedeutet Entscheidungsalternativen entwickeln. Leider ist bei Verhandlungen oder Konfliktgesprächen immer wieder zu beobachten, dass die Lösungsvorschläge des "Gegners" viel zu schnell abgekanzelt werden und sofort durch eigene konträre Vorschläge überdeckt werden. Der Versuch, den ersten Lösungsvorschlag erst einmal aufzugreifen, um ihn gemeinsam weiterzuentwickeln in eine Richtung, die für beide Seiten tragbar ist, wird nur selten unternommen. Die Chance zur Konfliktlösung bietet sich nur dann, wenn beide Verhandlungspartner freiwillig ihre "Entweder-oder-Haltung" durch die viel flexiblere "Sowohl-als-auch-Haltung" austauschen.

Um die Möglichkeiten der Einigung auszuloten, kann beispielsweise ein Brainstorming im Vorfeld helfen, das prinzipiell erst einmal keine Bewertung der aufgeführten Aspekte vornimmt und die Gegenseite gleichberechtigt einbezieht. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei jenen Punkten, die gleich beiden Seiten Vorteile verschaffen. Auf diese Weise lassen sich die dennoch unterschiedlichen Interessen verbinden.

4. Gemeinsam werden die als objektiv anerkannten Entscheidungskriterien festgelegt. Wenn die Verhandlungspartner bestimmte Lösungswege gefunden haben, kann der eigentliche Entscheidungsprozess in Angriff genommen werden, indem sich die Beteiligten auf die objektiven Kriterien einigen, die schließlich ein Maß für das Verhandlungsergebnis darstellen sollen. Durch dieses Vorgehen findet die verhandelte Lösung schließlich die (volle) Akzeptanz beider Seiten. Beachten Sie aber, dass die festgelegten objektiven Kriterien grundsätzlich für alle Beteiligte durchführbar und weitestgehend willensunabhängig sind. Gute Beispiele für objektive Kriterien sind der Marktwert, wissenschaftliche Gutachten, ähnliche Sachlagen, für die schon früher eine Lösung gefunden wurde, Gerichtsurteile, nachvollziehbare Kosten sowie auch moralische Kriterien.

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